I’m not there / Ich bin nicht da
Bob Dylan und ich
(2015)
(English version of the essay)
Als Nachkriegskind in einem amerikanisierten Deutschland kam ich das erste mal mit Bob Dylan im Jahre 1976 in Berührung. Ich erinnere mich, wie einer meiner Kumpels begeistert von Hurricane sprach und es mit pantomimischen Einsatz wiedergab. Ob ich es selbst gehört habe, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, wie dieser Kumpel sich über ein anderes Dylan-Lied amüsierte und es gern zitierte, und zwar auf deutsch: „Idiotenwind weht jedes mal, wenn du den Mund aufmachst.“
Das nächste, woran ich mich bezüglich Bob Dylan erinnere, ist, daß ich einmal bei meiner Internatsbetreuerin privat zu Hause war, und sie hatte die chronologisch nächste Platte Street-legal; wir legten sie zu Kaffee und Kuchen auf. Die dunkel-silbrige Stimmung auf dieser Platte beeindruckte mich.
1980 hatte es mich nach Südfrankreich verschlagen. In einem Marktplatz-Café hörte ich aus der Jukebox Gotta Serve Somebody. Das fand ich sehr beachtlich; ich hatte aber noch überhaupt keine Ahnung von dem, was kommen würde.
Ich hörte damals – Blick über die Dächer von Montpellier, der Mistral wehte – am meisten Rust Live von Neil Young, aber Bob Dylan zählte zu den Künstlern, wo ich aufhorchte und die mir was bedeuteten.
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Später in diesem Jahr, 1980, war es dann soweit. Ich war wieder nach Norden, nach Paris, gezogen. Sehr oft fuhr ich ins Beaubourg, wo man sich gleich unten im Erdgeschoß links die aktuellen Schallplatten anhören konnte. Eines Tages ließ ich mir von der Diskothekarin die neueste Bob-Dylan-Platte auflegen – und da war es um mich geschehen.
Von da an war ich wochenlang jeden Tag im Centre Pompidou, um mir diese Platte – Saved – anzuhören, manchmal auch zweimal hintereinander. Ich war so hin und weg, so fasziniert von dieser Platte, daß ich es gar nicht beschreiben kann. Ich erinnere mich für immer genau an das ganze Drumherum: die schlechte Luft in der Bibliothek, das schmutzige gelbe Schaumgummi auf den Kopfhörern… – Wie gern würde ich heute wieder einmal dort sitzen… Ich weiß nicht, ich sackte immer etliche Etagen tiefer in meine Seele hinein, wenn ich diesen Liedern zuhörte. Jeder Ton wurde mir so vertraut, es war, als seien es Äußerungen meiner eigenen Seele. Ich war eins mit dieser Platte. Vielleicht hat Saved mein Leben gerettet.
Viele Musikjournalisten zerrissen Saved. Ich fragte mich dann immer: Was hören die denn? Fühlen die überhaupt etwas? Wie kann man über diese Musik so einen Mist schreiben? Es wurde immer darauf abgehoben und in den Vordergrund geschoben, daß Dylan den christlichen Glauben angenommen hätte und jetzt ein religiöser Eiferer oder dergleichen sei. Das oder überhaupt Ideelles – wie konnte das so eine große Rolle spielen in deren Kritiken? Konnten sie nicht einmal wahrnehmen, daß sich hier jemand auf höchst persönliche Weise ausdrückte?
Heute denke ich, daß diese Journalisten damals aus irgendwelchen Gründen wie Pawlows Hunde reagierten: Es waren nur sinnlose Reflexe, die wohl von irgendeinem Tabubruch ausgelöst worden waren. Heute ist die heftige Aversion aufgrund der Hinwendung eines Künstlers zu christlicher Religiosität nicht mehr nachvollziehbar – heute gibt es andere Tabus und Hysterien.
Wenn ich mich in diese Musik vertiefte, dachte ich natürlich an keine Journalisten. Aber etwas staunen mußte ich doch einige Jahrzehnte später, als ich im Internet Konzerte aus dieser Zeit sehen konnte. Und zwar, weil ich rückblickend einen überdeutlichen Kontrast aus veröffentlichter Meinung und der Reaktion der Fans in den Konzerten wahrnahm, der mich dann doch überraschte: Das Publikum teilte mitnichten die allermeist vernichtenden, zum Teil auch verhöhnenden Kritiken der sogenannten christlichen Alben Slow Train Coming, Saved und Shot of Love.
Für mich waren das nicht nur Dylans beste Platten – auch seine Konzerte in dieser Zeit sind die besten (neben solchen der Hard-Rain-Phase), die er je gegeben hat. (Das Konzert, dem ich selbst 1981 beiwohnte, kam leider nicht an diese Qualität heran – wahrscheinlich lag das an den Verhältnissen in einem Fußballstadion.)
Wenn man sieht, welches Feuer die Band und die Sängerinnen entfachen und wie das Publikum begeistert mitgeht, dann springt die unterschiedliche Wahrnehmung von Kritikern und Publikum ins Auge. Ich glaube nicht, daß das Ideelle beim Publikum eine große Rolle gespielt hat; es ließ sich nur von der Ernsthaftigkeit und der Feierlichkeit mitreißen – die Fans fühlten, daß sie eine ganz besondere Öffnung, eine Art Offenbarung miterlebten.
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Ich bin überhaupt nicht religiös. Wenn man so will, bin ich Agnostiker, das heißt, mich interessiert die Frage nicht, ob es einen Gott gibt oder nicht. Aber diese „religiösen“ Dylan-Platten spielten sehr wohl eine – sogar ein sehr große Rolle in meinem Leben. Sie haben mich gefühlsmäßig sehr angesprochen. Da einen Widerspruch zu sehen, interessiert mich nicht weiter.
Merkwürdig aber ist, daß eine andere Musik, die eine vergleichbare Wirkung auf mich hatte, ebenfalls von Christlich-Religiösem getragen wird: die Johann Sebastian Bachs. (Den quasi areligiösen Richard Wagner habe ich erst vor zwei Jahren entdeckt.) Es ist eine unglaubliche Musik; man fragt sich, wie ein Mensch so etwas erschaffen kann. Auch hier ist es die pure Faszination – nur aus dem Gefühl heraus.
Nach dem Saved-Erlebnis kaufte ich mir alle Dylan-Platten: ältere und auch die neu erscheinenden – ich wurde ein richtiger Dylan-Fan und mit dem gesamten Liedgut Dylans ziemlich vertraut – nicht nur mit dem „christlichen“.
Ich kaufte auch alle möglichen Dylan-Songbooks. Ich hatte einen Job als Rettungsschwimmer auf Korsika, saß dort am Strand und spielte den ganzen Tag aus den Songbooks von Slow Train Coming und Saved. Gott sei Dank gab es keine Unfälle.
Abends spielten die Jukeboxes in den Bars John Lennons schöne Lieder Woman und Whatching the Weels.
Auf der Heimreise dann zum Flughafen in Ajaccio sehe ich aus dem Bus heraus plötzlich die neue Dylan-Platte in einem Schaufenster!: Shot of Love – mir knallt das Cover entgegen, und ich kann es kaum erwarten, mir die Platte in Paris kaufen zu können.
Zwei Jahr später, 1983, sehe ich mich in der Schlange in einem Kulturkaufhaus mit dem Album Infidels in den Händen stehen, das als das Ende der christlichen Phase angekündigt wurde…
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Wenn man so mit dem Schaffen eines Künstlers vertraut wird, dann rücken alle möglichen Aspekte der Auseinandersetzung mit dessen Werken ins Blickfeld – und so auch das Übersetzen seiner Texte: erst einmal nur rein inhaltlich, dann aber auch formal: Man probiert herum, wie man es in deutsche Verse bringen könnte. Es ist in der Literatur ganz geläufig, daß Lyriker gern die Gedichte anderer Lyriker aus anderen Ländern in ihre Muttersprache übertragen.
Das Hinüberholen in seine eigene Sprache und das Nachdichten ist nur eine Art der Beschäftigung mit dem Werk – es ergibt sich einfach, drängt sich auf, macht Spaß. Es hat etwas Spielerisches; man hat Freude am Experimentieren mit Sprache – es gehört irgendwie dazu, wenn man Kunstwerke liebt, die auch aus Text bestehen.
Ich bin ein Liebhaber der Kunst Dylans, zu dessen Liebhaberei es zählt, die Lieder selbst zu interpretieren. Selbstverständlich habe ich alle Lieder seit jeher mit der Gitarre für mich gesungen. Für eine Veröffentlichung von Coverversionen mit Originaltext hätte kein Anlaß bestanden. Ich halte es aber für berechtigt, der nicht geringen Zahl an deutschen Interpretationen meine Bearbeitungen hinzuzufügen. Bisher stand weniger der mittlere und reifere, sondern der frühe Dylan im Zentrum des Interesses von deutschsprachigen Interpreten. Ich habe oft bei deutschen Fassungen an Dylans Zeile „You think He’s just an errand boy to satisfy your wandering desires“ denken müssen.
Am Ende ist diese Arbeit auch eine Art Würdigung und Aneignung us-amerikanischer Kultur. Unter anderen Umständen hätten wir uns vielleicht mit chinesischen Künstlern befaßt und hätten womöglich chinesische Lieder gesungen und übersetzt. Jede Zeit militärischer und kultureller Dominanz geht einmal zu Ende; dann besinnt man sich wieder auf das Eigene – oder unterwirft sich der nächsten. Das US-Zeitalter geht jetzt – „you better start swimmin‘“ – vorbei; es erfolgt ein Abschied in Würde – wie sonst als mit deutschen Fassungen von Liedern des bedeutendsten lebenden Künstlers der USA?
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Für mich stehen bei Dylan – was man denken könnte – die Texte nicht im Mittelpunkt; und schon gar nicht gehöre ich zu den Dylanologen. Für mich steht auch nicht die Musik im Mittelpunkt. Worum geht es bei Dylan überhaupt?
Es hängt mit der erwähnten Faszination zusammen, die natürlich auch andere Schaffensphasen als die „christliche“ betrifft. Es hängt mit einer gewissen Haltung zusammen. Auch andere seiner Werke zeugen natürlich von besagter Ernsthaftigkeit und großer persönlicher Betroffenheit. Es gibt schlichtweg keinen anderen Künstler in der populären Kunst – mit Ausnahme von Leonard Cohen –, der so aus seinen ureigensten seelischen Inhalten schöpft, wie es Dylan tut.
Die Atmosphäre in Dylans Kunst ist von einem hohen Maß an Echtheit gekennzeichnet. Darin liegt das Faszinierende. Das liegt seinem Schaffen zugrunde und drückt sich – mit welchen Symbolismen er mitunter auch arbeiten mag – in diesem aus. Ich kann nichts Verschlossenes oder Mystifizierendes sehen – sein Werk ist eine Offenbarung. In dem, was er macht, ist er präsent. Diese Präsenz, dieses Persönliche, gibt es bei keinem anderen Künstler.
Wenn weder im Text noch in der Musik das Wesentliche und Besondere in Dylans Kunst zu suchen ist, sondern im seelischen Antrieb, der diesen zugrunde liegt, wie würde ich dann an deutsche Fassungen herangehen? – Es hat sich von Anfang an von selbst ergeben, daß ich einfach nahe am Original bleibe. Ich liebe diese Lieder, so wie sie sind, und will sie so lassen; es gab keine „wandering desires“.
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Es ist legitim und oft sehr sinnvoll, wenn Rockmusik Unterhaltungskunst ist. Wenn besagte Präsenz aber darüber hinausführt, so kann das seine Ursache auch darin haben, daß der Künstler nicht einfach viel intelligenter und sensibler als andere ist, sondern daß die Kunst für ihn ein Mittel ist, ein Mehr an Präsenz zu erreichen, daß er sich durch die Kunst eine größere Selbstwahrnehmung und -bestätigung verschafft. Was aber wäre, wenn dieser Mensch erst präsent wird, indem er sich als Künstler betätigt, was, wenn er Lieder schriebe, um dadurch überhaupt Präsenz zu gewinnen?
Vielleicht liegt dem riesigen Dylan’schen Œuvre ein entsprechender Zwang zugrunde (dem dann auch der Fan unterläge). Dylan ist ohne Ende auf Tournee, und er hat Hunderte von Liedern geschrieben, von denen viele gar nicht veröffentlicht worden sind.
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1966 war Bob Dylan bei einem Motorradunfall fast ums Leben gekommen: ein traumatisches Erlebnis, das ihn sicherlich auf den Kern seiner Person zurückgeworfen hat. In der Genesungsphase lud Dylan die Musiker von The Band zu sich ein, und es entstanden im Keller seines Hauses Lieder, die manchen Fans als einige seiner bedeutendsten gelten: Diese wurden auf Basement Tapes aufgenommen (die Originale landeten übrigens eigenartigerweise im Archiv von Neil Young) und später (1975) als solche veröffentlicht. Ein Lied wurde dabei ausgelassen, blieb viele Jahrzehnte unveröffentlicht und wurde zum Geheimtip; und das war das Lied mit dem Titel I’m Not There.
Dieses Lied nimmt eine ganze besondere Stellung im Werk Dylans ein, ja, es ist ein Schlüssellied. Vier Akkorde sind die Grundlage für eine Art Improvisation, die in das einzig Notierte, nämlich diesen Kehrreim endet: „Ich bin nicht da.“ Der Text scheint nicht nur improvisiert zu sein, sondern ist an vielen Stellen schlicht unverständlich. Dylan benutzt eine Privatsprache und scheint auf Worte und hergebrachte Wortbedeutungen keine große Rücksicht zu nehmen – alles fließt direkt aus seinen Gefühlen und aus seinem Unterbewußten. Kognitives ist bei der Eroberung von Präsenz kaum von Bedeutung; das wird er später im Song Standing In The Doorway sagen: „I see nothing to be gained by any explanation.“ I’m Not There ist direkter Ausdruck seines Innersten.
Aus dem Nicht-Dasein heraus scheint Dylan – so entnimmt man es seiner Improvisation – im Leben einige Fehler begangen zu haben, die er jetzt bedauert. Nun verschafft er sich Präsenz (Dasein), indem er seine Nicht-Präsenz beklagt. So deutlich tut er das später nie wieder, wenngleich der Motor seiner Kunst – wie schon erwähnt – die Selbstbestätigung bleibt.
Für Dylan gibt es nur eins: ich selbst zu sein. Das Problem ist nur: Wer bin ich? – Er ist gar nicht er selbst oder gar nicht da! Von den vielen Aussprüchen, die von Bob Dylan überliefert werden, lautet einer: „Alles, was ich kann, ist, ich selbst zu sein – wer immer das auch sein mag.“ Die große Leistung und das, was ihn vor anderen Künstlern so sehr auszeichnet, ist, daß er, wenn er selbst nicht da ist, gleichzeitig lieber darauf verzichtet, als Pseudo-Person da zu sein. Eher konstatiert er schonungslos den desaströsen Ist-Zustand: Einzig diese Wahrheit kann noch am ehesten ein Gefühl des Daseins bewirken: „But with the truth so far off, what good will it do?“ (Jokerman)
Nirgends sonst tritt das so deutlich zu Tage wie auf seinem großartigen Album Time Out Of Mind aus dem Jahre 1997. Während Heerscharen von Künstlern (und überhaupt Menschen) sich etwas vormachen und die sich aus dem Nicht-Dasein ergebende große Not beschwichtigen, während sie jede ernsthafte und selbstkritische Überlegung abwiegeln und sich in ihrer jämmerlichen Pseudo-Existenz einrichten, singt Dylan in Trying To Get To Heaven: „They tell me everything is gonna be all right, but I don’t know what ‘all right’ even means.“ Er weist falschen Trost von sich. Und es ist nicht Dylans Anspruch, „all right“, sondern er selbst zu sein – in welchem Zustand auch immer, und sei es das Anti-Leben.
Dieses Album Time Out Of Mind stellt ein Anti-Album dar, das aus Anti-Songs besteht, in denen Anti-Texte lediglich die Anti-Existenz reflektieren. Der Tenor ist: Alles ist nur Abstand zum Leben. Musik und Text schweben die ganze Zeit über der Wirklichkeit und sehen mit letzter Sehnsucht auf diese hinab. Es ist ein Abschied vom Leben und bleibt bis heute sein Vermächtnis.
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Zwölf Jahre nach den Aufnahmen aus dem Keller (also im Jahre 1979) wächst – der biographische Kontext ist wichtig, muß hier aber unbeleuchtet bleiben – wieder das Bedürfnis nach Selbstwahrnehmung durch Offenbarung an. Die auf Street-Legal angekündigte Wachablösung findet statt, und es entstehen die drei „christlichen“ Alben: ein neuer „way of thinking“ mit einem „different set of rules“. Hier, insbesondere auf Saved, spricht Dylans Gefühl als Basis seiner Existenz am deutlichsten in seiner gesamten Karriere; nirgends drückt er seine Liebe so intensiv aus wie hier; nirgends in seiner Kunst als hier muß er dem Gefühl nahe gekommen sein, da zu sein.
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Es ist leicht zu ersehen, warum ich in diesem Maße von Dylan fasziniert bin und wo die Gemeinsamkeiten von Künstler und Rezipient liegen. Es ist offensichtlich, daß es zu solchen Kunsterlebnissen, wie ich sie beim Anhören von Saved und anderer Dylan-Platten hatte, nicht kommen kann, wenn der Rezipient seelisch nicht ähnlich verfaßt wäre wie der Künstler. Auf den Punkt gebracht lautet diese Verfassung: Ich bin nicht da; beziehungsweise – in den Gefühlen der Liebe dann –: Endlich bin ich da.
Was konnte für mich daher näher liegen als auch den Song I’m Not There zu covern?
Das war mir nicht gut möglich, aber als etwas Entsprechendes mag ein Projekt herhalten, das freilich darüber hinausgeht und in etlicher Hinsicht eine Neuerung und eine radikale Rückbesinnung aufs Eigene – im geokulturellen wie im persönlichen Sinne – darstellt: Dieses Projekt trägt den Arbeitstitel Ich bin nicht da / Ich bin da (der Sportplatz) und wird aus einer Serie von musikdramatischen Stücken („Suiten“ oder auch „Partiten“ genannt) bestehen, für die es noch keine Genrebezeichnung gibt, bei denen der Protagonist – es ist der sogenannte Wahrsager – jedenfalls improvisiert.
Diese Suiten weisen also eine Ähnlichkeit mit Dylans I’m Not There auf – wobei sich die Klage „Ich bin nicht da“ durchaus regelmäßig wie in einem Kehrreim wiederholt –, aber auch mit John Lennons Liedern Mother und Cold Turkey, wo ebenfalls Improvisationen stattfinden. Und zwar besteht die Improvisation darin, daß der Protagonist in seiner Not schlichtweg seine ganze Wahrheit ohne jegliche Hemmung oder Einschränkung ausspricht und – weit unter das Verbale gehend – bis zur Neige ausdrückt.
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Nach dem apokalyptischen Zusammenbruch der Vereinigten Staaten, dem Ende der pax americana und dem, was Gläubige als das Erscheinen des Widerchristen bezeichnen, wird sich eine weitere Wachablösung aufdrängen: ein grundlegender kultureller Wandel, der von einer Hinwendung zur, einer Rückbesinnung auf die Wahrheit gekennzeichnet sein könnte: nicht in irgendeinem ideologischen, religiösen oder wissenschaftlichen, sondern einem rein persönlichen Sinne. Eine Besinnung, die einer Explosion gleichkommt.
Bob Dylan weist uns auf der Journey Through Dark Heat den Weg: „The truth was obscure, too profound and too pure. To live it you have to explode.“
Peter Post, 2015