Verschiedene Geschmäcker
Zu zwei Rezensionen von Wachablösung – Bob Dylan Songs auf deutsch
Wie sich doch wieder einmal ein Sprichwort bewahrheitet… Die Rezensenten verweisen selber darauf. Hartmut Helms sagt, wie sehr doch Urteile und Kriterien persönlich geprägt seien. Der von ihm gebrachte, bedenkenswerte Einwand:
„Doch die [wirklich inspirierende Momente auf beiden Scheiben, von denen ich kaum wirklich genug bekommen könnte], sollten, für meinen Geschmack, viel öfter und komprimiert, auf nur eine Scheibe gepackt, vorkommen. Das hätte den Nachgeschmack, mehr haben zu wollen, als das Gefühl, endlich durch zu sein“
ist aber gerade deshalb nicht stichhaltig. Zuerst möchte man ihm zwar recht geben und bereut schon das verfolgte Konzept (19 Lieder auf einer Doppel-CD), aber Hartmut Helms entkräftet selbst seinen Einwand, indem er schon vorher schreibt, daß „andere Hörer wahrscheinlich anders empfinden“ werden.
Richtig: auf welche Stücke hätte denn verzichten werden sollen? Nach Hartmut Helms‘ Meinung wäre das wohl etwa Frau im Bunde („wenig authentisch, aufgesetzt“) oder True Love („Stilbruch“), Erlaubnis zum Mord („fällt bei mir vollständig durch“), wobei er hinzufügt und richtigstellt: „Das werden andere Hörer wahrscheinlich anders empfinden, bei mir aber ist es so.“ – Und genau so ist, denn schon der zweite Rezensent, Markus Kerren, hält Erlaubnis zum Mord nämlich gerade für „ziemlich gut gelungen“.
Auch Markus Kerren geht davon aus, daß die Einschätzung der Hörer sehr verschieden ausfallen wird, ja, ihm ist „jetzt schon klar, daß Wachablösung – Bob-Dylan-Songs auf deutsch die Musik- und vor allem Dylan-Fans spalten wird“.
Ähnlich wie für Hartmut Helms, so „driften“ für Markus Kerren „die 19 Songs und knapp anderthalb Stunden Spielzeit in ihrer Gelungenheit doch (manchmal sogar sehr) weit auseinander“. So hält er er zum Beispiel Einen letzten Becher für „nicht wirklich überzeugend“ – seinem Rezensenten-Kollegen Hartmut Helms wiederum „beschert“ diese Fassung „einen Gänsehautmoment“ („auf wunderschöne Weise ins Deutsche übertragen“).
Zu den „paar echten Perlen, die dem Künstler gelungen sind, denen er so etwas wie einen neuen Charakter schenkte“ gehört für Hartmut Helms der Titelsong Wachablösung – welcher nun aber für Markus Kerren wieder „die größte Katastrophe“ darstellt („ausgerechnet das Titelstück ging vollkommen in die Hose, läßt mich nach wie vor zwischen purem Erschaudern und einer bösen Lachattacke pendeln“).
So unterschiedlich beide Rezensenten einige Bearbeitungen bewerten, so sind sie sich doch bei anderen wieder einig: Noch nicht dunkel (Markus Kerren: „ziemlich gut gelungen“, Hartmut Helms: „Macht Vorlage ganz und gar zu seinem eigenen Ding… ganz großes Kino… Bad in Emotionen… fesselt mich voll und ganz… den Tränen nah…“), Die meiste Zeit (Hartmut Helms: „beinahe lasziv im Americana-Style, sehr düsterschön und glaubhaft vorgetragen“, Markus Kerren: „beste Interpretation auf dieser Doppelscheibe“) und Liebesmüde.
Vielleicht hätte ich vielen Leuten die Songs vorher zeigen sollen und dann eine Schnittmenge nehmen sollen… Es war wohl doch richtig gewesen, daß ich sämtliche 19 Fassungen auf zwei CDs veröffentlicht habe.
Ich möchte für das Lob der beiden Rezensenten danken und noch zwei indirekte Fragen beantworten: eine (von Hartmut Helms) zur Dramaturgie: Zusammenstellung und Reihenfolge der Songs ist chronologisch – ich wollte eine Entwicklung darstellen und auch ein Lebenswerk würdigen; und die andere (von Markus Kerren, „wird leider nicht übermittelt“): Ja, ich gehe stark davon aus, daß Bob Dylan „die Stücke tatsächlich auch gehört hat, bevor er sie absegnete“. Beweis: Bob Dylan hat zwei Stellen beanstandet und deren Änderung verlangt. Er hat die Texte geprüft; sie mußten dafür bei der Einholung der Genehmigung ins Englische rückübersetzt werden.
Insbesondere Hartmut Helms hat mit Lob nicht gegeizt; das freut mich natürlich:
Lenny Bruce: „Schon als Original ein wunderschönes Lied und eine versteckte Kampfansage dazu, Hommage für das Recht auf freie Rede, für die Lenny Bruce letztlich stand.“
„Im Sommer perlt aus den Boxen und erfrischt mit dem Spiel der Mundharmonika.
„Ein Schatz wie du bekommt alle Ecken und Kanten zum Diskutieren mit auf den deutschen Weg, Stimmung der Vorlage auf den Punkt getroffen.“
Der Mann im schwarzen Gewand: „Emotional sehr berührend, klingt authentisch und hat auch diese beklemmende Atmosphäre.
Ich danke Hartmut Helms dafür, daß er sich so intensiv und umfangreich mit der Doppel-CD befaßt hat und dabei auch meine Intentionen erfaßt und freigelegt hat:
„In den allermeisten Fällen treffen die deutschen Texte harmonisch mit der Musik, die detailverliebt den Vorlagen folgt. / [Peter Post] deutscht Wachablösung ein und macht so die verworrene Geschichten vielleicht etwas verständlich. / Meister Bobs gelungene Bilder finden ihre Entsprechung in unserer Sprache. / [Ich war] sehr neugierig zu erleben, wie sich Dylans Musik mit deutschen Wortgebilden anfühlt und ob es mich anregt.“
Zum Schluß möchte ich noch auf ein (in meinen Augen verfehltes) Kompliment von Markus Kerren eingehen: er bescheinigt mir nämlich Mut: „’Verdammt mutig!‘ war der erste Gedanke, der mir nach dem Erhalt dieser Doppel-CD in den Sinn kam. […] Respekt für den Mut und die Umsetzung dieses Projektes […] Mein Respekt gehört dem Mut und der Entschlossenheit von Peter Post…“ – Doch Mut hat bei der gesamten Arbeit an der Doppel-CD überhaupt keine Rolle gespielt. Es war mir ein reines Vergnügen, diese Lieder nachzudichten und einzuspielen. Ich hatte mir diese Arbeit schon seit langem vorgenommen – nun war es für mich eine reine Lust, das Vorhaben umzusetzen.
13. April 2016
Verweise:
Die Rezension von Hartmut Helms erschien hier und hier.
Hartmut Helms kann man hier kontaktieren.
Die Rezension von Markus Kerren erschien hier.
Markus Kerren Kontakt.